Isabella Trummer: "Das Grab"

Inspektor Kammerlanders dritter Fall


Ein Hund
der stirbt
und der weiß
dass er stirbt
wie ein Hund

und der sagen kann
dass er weiß
dass er stirbt
wie ein Hund
ist ein Mensch.

Das nebenstehende, dem Rezensenten bislang unbekannte Gedicht Erich Frieds hat die Grazer Pädagogin, Beraterin und "Autorin im Nebenamt" Isabella Trummer ihrem Roman "Das Grab" als Motto vorangestellt, dem mittlerweile dritten um den Kriminalinspektor Kammerlander.
Es geht in diesem spannend geschriebenen Roman in mehrfacher Hinsicht um den Tod und das Sterben. Da langt die Nachricht im Kommissariat ein, dass Ulrich Rumbach tot aufgefunden wurde. Jeder kennt Ulrich Rumbach in Voitsberg, einem kleinen Städtchen in der Weststeiermark. Seit Jahrzehnten ist er das ledige Familienoberhaupt einer großen, wohlhabenden und in der Stadt sehr angesehenen Sippe, die ihr Geld und ihren Reichtum aufgrund des Besitzes und der Ausbeutung eines ergiebigen Marmorsteinbruchs und des Aufbaus eines großen Steinmetzbetriebes angehäuft hat.
Dieser Betrieb ist über die Grenzen der Region für seine außergewöhnlichen, manchmal regelrecht künstlerischen Arbeiten bekannt.

Ulrich Rumbach starb keines natürlichen Todes. Als er gefunden wird, hängt er, vorher schon zu Tode gebracht, an der großen Engelfigur des von ihm so geliebten und fast täglich aufgesuchten Familiengrabes.
Als Kammerlander, ein sympathischer Polizist, zu ermitteln beginnt, erfährt er, dass es just am Tag vor dem unnatürlichen Tod Ulrich Rumbachs in der Familie schwerste Auseinandersetzungen gab. Rumbach hatte, gegen alle Erwartungen der anderen Familienmitglieder, entschieden, seinen Pflegesohn Manfred Roselli als Firmennachfolger einzusetzen.
Manfred Roselli war nach offizieller Lesart als kleiner Junge von Ulrich Rumbach in Pflege genommen worden, als dessen Mutter, die mit einem Zirkus in der Stadt gastierte, über Nacht spurlos verschwand. Er wuchs bei Rumbach auf, der ihn alles über sein Handwerk lehrte. Mittlerweile ist Manfred so etwas wie der künstlerische Leiter der Firma, der überaus begabte und sensible Entwürfe vorlegt, die von den Kunden sehr geschätzt werden. Doch da sind noch andere Mitglieder der Familie, vor allem die Neffen Ulrich Rumbachs, Sepp und Paul, die sich Hoffnungen auf die Firmennachfolge machen und auf die natürlich auch der erste Verdacht fällt.

Isabella Trummer nimmt den immer stärker von der Handlung faszinierten Leser mit in einen Familienclan, der etliche Leichen im Keller hat. Dabei lenkt sie geschickt den Verdacht von einem der vielen Familienmitglieder zum nächsten und entkräftet ihn wieder. Da sie alle irgendetwas Dunkles in ihrer Lebensgeschichte zu verbergen haben, könnten es auch viele gewesen sein. Doch als einer der zunächst Verdächtigten auf ähnlich mysteriöse und kuriose Weise ums Leben gebracht wird wie Ulrich Rumbach, wird der Fall immer verzwickter. Die Lösung scheint in den runenähnlichen Zeichen zu liegen, die der Mörder in die Körper der beiden Opfer geritzt hat.

Als es Kammerlander endlich gelingt, sie zu entziffern, kommt er nicht nur dem Täter auf die Spur, sondern vor ihm liegt eine erschütternde Familiengeschichte voller Schuld, Verdrängung und Gewalt.

Am Ende wird dem Leser auch deutlich, was es mit den von Isabella Trummer immer wieder von Beginn des Buches an in einzelne Kapitel eingesetzten Prosastücken auf sich hat, die von den Erlebnissen eines kleine Hasen handeln und zunächst ohne näheren Zusammenhang mit dem Rest der Handlung im fortlaufenden Text auftauchen.

"Das Grab" ist nicht nur ein spannender Kriminalroman, sondern auch ein Buch über die Geheimnisse einer Familie, die ihre eigene "omertà" entwickelt hat; ein Buch über Macht und Ohnmacht, über Schuld und ihre Verdrängung - und über Gewalt.

Die von der Autorin erzählte Geschichte ist ein gutes literarisches Beispiel für die bekannte psychoanalytische Erkenntnis, wie sich Verdrängtes auf lange Sicht immer eine Bahn hin zur Wahrheit sucht, auch wenn es dabei den Umweg über das Verbrechen nehmen muss.

(Winfried Stanzick; 10/2008)